Ralf ist Musiker und aus Deutschland. Ralf kann man buchen wenn man Livemusik braucht. Im Sommer ist er Straßenmusiker und war heuer mit seinem Saxophon in St. Petersburg. Wir sitzen einen Abend zusammen am Strand des Kurischen Haff. Eine laute Stadt, warnt er uns vor. Ralf ist ziemlich untergegangen mit seiner kontemplativer Musik und zieht heim. Er klebt uns noch einen Aufkleber ans Auto „Liebe soll regieren“. Ralf ist uns sympathisch.
Nach wenigen Tag stehen wir in Narva an der Grenze zu Russland. Die Esten lassen uns erst in den Kontrollbereich nach Kauf eines Tickets um € 4,50 . Na gut, bitte ein Ticket. Dazu muss man 3 km quer durch die Stadt, das Ticket kaufen und wieder zurück zur Grenze. „Every border is different“ sagt Anneliese kopfschüttelnd zum Zöllner. Jetzt werden wir abgefertigt. Bei den Russen geht es schnell und problemlos . Die Fußball WM wirkt beflügelnd.
St. Petersburg: Der Stellplatz in der Nähe der Metro ist bevölkert. Wir stehen zwischen mehreren Wohnmobilen mit argentinischen Fans. Sie wollen zu allen Spielen der Argentinier fahren. (Viele sollten es nicht werden) . Am Tag des Spieles Argentinien gegen Nigeria sollen 30.000 Fans aus Übersee in der Stadt sein. Überall ist große Party. Wir spazieren durch die Stadt, den Nevskyi -Prospekt entlang zum Winterpalast. Und weil St. Petersburg das Venedig des Nordens ist, machen wir eine Bootsfahrt durch die von vielen Palais und Kirchen gesäumten Kanäle.
Satt von den vielen Sehenswürdigkeiten starten wir unsere Karelienreise am 3. Tag. Die P 21 ist eine gut ausgebaute Fernstraße mit wenig Verkehr. Etwas eintönig, da links und rechts meist nur Wald ist. Dazwischen sieht man Hochmoore, Seen und Bäche. Das Land ist meistens flach.
Die Stadt Sortivala ist der Abfahrtshafen für Schiffe nach Walaam, der Klosterinsel im Ladogasee. Der See ist der größte in Europa. Weil das Wetter stürmisch ist, bauen sich bis zu 2 Meter hohe Wellen auf. Zuviel auf und ab für uns und für die 15 russischen Pilger. So opfern einige dem Neptun ihr Frühstück und die Jause. Der gute Igor (ein Mitreisender) verteilt zum Glück Plastiksäckchen.
Tags darauf sehen wir uns einen Canyon in Ruskeala an und am Zeltplatz gibts am Abend public viewing im Zelt. Russland gegen Spanien! Wir haben nicht geahnt wieviele Emotionen in der russischen Seele stecken. Es wird geschrieen, gepfiffen, gestampft und am Ende nach dem Elfmeterschießen ist alles aus dem Häuschen. Bier und Schnaps dienten zur Beruhigung während des Spieles und zur Feier des knappen Sieges. Olga erklärt uns auf deutsch: wir Russen saufen gerne.
Kizhi ist eine Museumsinsel im Onegasee und Weltkulturerbe. Sie ist berühmt wegen der dortigen alten holzgezimmerten Kirchen, der Bauernhöfe und Windmühlen. Seit den 90iger Jahren wird eifrig restauriert was die Kommunisten verfallen ließen. Es gibt viele Kirchen. Eine davon ist dem wieder erweckten Lazarus geweiht. Im Lonley Planet steht: res-errection-chapel of Lazarus. Ah, Lazarus nannte man vielleicht damals das beste Stück des Mannes. Eine völlige Neuinterpretation des alten Bibeltextes und heimlicher Grund für die Pilgerströme?
Karelien ist Samiland.
Sami sind die Ureinwohner Nordfinnlands, Nordnorwegens und russisch Kareliens. Sie lebten als Nomaden für und mit ihren Rentieren. Sie jagten, fischten und hatten ihren Naturglauben. Petroglyphen, Steinkreise und Labyrinthe zeugen davon.
Schweden, Finnen und Russen raubten ihnen das Land und die Bodenschätze. Man machte sie sesshaft und steckte sie in Bergwerke, Fabriken und Kolchosen. Selbst die Sprache und ihre Religion wurden ihnen verboten. Heute regt sich ihre Kultur als zartes Pflänzchen. Traditionelles Handwerk erzeugt Gebrauchsgegenstände, Souvenirs, Bekleidung und mehr. Und einige bieten Fischerei- und Jagdtouren, Motorschlittenfahrten und Nordlichtbeobachtungen im Dienste großer Tourismusunternehmen an. Kundschaft sind Japaner, Koreaner, Malaysia, Araber und die Westler. Wir trinken Kaffee bei Michail, der uns das erzählt. Er kann ein gutes Leben führen mit viel Arbeit im Winter und Zeit zum Fischen und Jagen im Sommer.
Nach über 2.500 km Russland erreichen wir Murmansk, die größte Stadt nördlich des Polarkreises. Der Hafen ist Umschlagplatz für Stahl, Nickel, Kohle und andere Rohstoffe. Eine graue rußige Industriestadt. Im kalten Krieg die weltgrößte Konzentration an Kriegsschiffen. Zu sehen bekamen wir keines. Die sind gut versteckt und streng bewacht in den Fjorden der Barentsee. Im Hafen zu besichtigen ist der Eisbrecher Lenin, 1957 gebaut und mit Kernenergie betrieben. Er bringt Passagiere zum Nordpol, auch durch 3 Meter dickes Eis. Wer mitwill legt € 25.000.— auf den Tisch und genießt das Nordlicht bei Kaviar und Champagner.
Auf einem Hügel im Park steht Alyosha, ein 30 Meter hoher Wachsoldat aus Beton. Er beschützt uns die letzte Nacht (11.7.) in Rußland. Eine strahlende Mitternachtssonne beschert laue Luft.
Tags darauf fahren wir zur Grenze nach Norwegen und sind im Westen. Eine „freundliche“ Zöllnerin durchsucht unser Auto bis ins Detail. Russische Butter, Kefir, Käse und Wurst wandern in einen Abfallcontainer und wird behandelt als wären sie verseucht. Der Leon hat zwar alle erforderlichen Impfungen, nur das Fuchsbandwurmmittel haben wir zwar 24 Std. zuvor verabreicht, aber leider nicht von einem Tierarzt bestätigen lassen. Zum Glück drückt die Ärztin ein Auge zu.
Eine Stunde später sind wir in Kirkenes und verbringen die Nacht auf einer Rentierweide mit Blick über den Korsfjorden.
Norwegen kann kommen!
Read Full Post »