In Shiraz müssen wir zur Fremdenpolizei, die Visa laufen ab. Am nächsten Tag können wir die Pässe wieder abholen. Die Frauen brauchen ein Foto mit Kopftuch ohne sichtbare Haare. Inzwischen können wir uns die Stadt anschauen. Isfahan oder Shiraz – welche ist schöner? Das hängt ab wen man fragt, einen Isfahani oder Shirazi. Für uns sind beide ein orientalisches Märchen. Wir besuchen auch das Grab des iranischen Dichters Hafez, der im 14. Jhdt. lebte. Für uns ein Bruder im Geiste Francois Villon. Ein Spötter und Querdenker.
Die Polizei ist sehr höflich und freundlich. Der Amtsschimmel wiehert zwar aber alles im Rahmen.
Auf dem Weg zum Golf bei Bushehr gibt es einen Zwischenfall. Ein Bauer besucht unseren Nachtplatz in einem Seitental. Er meldet es einem Revolutionswächter der mit ihm zurückkommt. Mit der langen Flinte will er uns einschüchtern, fordert uns auf zu fahren. Da es schon dunkel wird weigern wir uns. Worauf er wieder mit einer Polizeistreife und weiteren 2 Bewaffneten zurückkommt. Die 2 Beamten meinen, hier sei es „not safe“, eine Meinung die wie oft hören. Wir verhandeln, ein Polizist ruft seinen Bruder an, der englisch versteht. Ich sage ihm, wir haben 2 Hunde mit, haben in Iran schon 30x übernachtet und meinen, der Iran ist „safe“. Zu guter Letzt gibt die Polizei den Widerstand auf und wir bekommen ihr ok. Worauf eine hitzige Debatte zwischen Polizei und Pasdarankämpfern ausbricht. Wir haben gewonnen, die Sittenwächter haben sich einen noch längeren Bart geholt. Auch diese Nacht war ruhig und sicher.
Die Fahrt durch das Zagrosgebirge zum Golf ist atemberaubend schön. In Delvaz erreichen wir das Meer und etwas südlich finden wir einen schönen Platz am Strand. Die Temperatur klettert auf ca. 35° und es ist sehr schwül, in der Nacht kühlt es kaum ab. Unseren Halleinern ist es zu heiß. Statt einen Rasttag einzulegen flüchten sie Richtung Norden. Wir bleiben allein zurück im Schatten von 2 Bäumen, abends backen wir Brot am Lagerfeuer. Vollkorn statt geschmacklosem Weißbrotstangen. Auch das Einschlafen bei diesen Temperaturen gelingt uns, die offenen Fenster fangen die kleinste Brise ein.
Es besuchen uns eine Menge Leute und wir beantworten geduldig die immer wieder gestellten Fragen. Doch bei Mohammad horchen wir auf. Er erzählt uns er sei Lehrer, fährt auch auf dem Fischerboot aufs Meer und ist Fotograf. Er ist Hobbymusiker und Klassik/Jazz-Fan und Cineast. Er kennt den Gewinner des Goldenen Bären von Berlin, Jafar Panahi persönlich. Er kann alle Regisseure von Fritz Lang bis Spielberg hersagen, kennt auch „Michael Heinecken“ . Haneke korrigiere ich ihn. Er freut sich über 2 DVD’s die wir ihm schenken können. Die Iranischen Verhältnisse kritisiert auch er. Er ist bei der „Green wave“ , einer außerparlamentarischen Opposition. Das Zeichen ist ein grünes Armband, natürlich verboten.
Noch etwas soll erzählt werden. Bei Bishapur gerät Wolfgang mit dem Toyota in einen Wassertümpel und spielt Schifflein versenken. Ohne Hilfe trotz Allrad und Sperre ist kein Herauskommen. Zum Glück hat er sein „Haschikenseil“ mit und diesmal führt kein Weg an unserem Floh vorbei. Nach einer Schreckminute steht Wolfgang wieder auf festem Grund. Ford sei Dank!
Wir fahren die Golfküste nach Norden, schauen uns Shustar und die Ziggurat von Choga Zanbil an. In Edessa in der heutigen Türkei (Sunliurfa) gerieten 70 000 römische Soldaten samt Kaiser Valerian in persische Gefangenschaft. Sie mussten einen gewaltigen Damm in Shustar bauen, auch eine ganze Stadt dazu. Die Ziggurat ist eine 3000 Jahre alte Stufenpyramide wie der babylonische Turm, nur besser erhalten. Wir sind in der mesopotamischen Tiefebene wo Euphrat und Tigris bei Basra sich zum Shatt al Arab vereinen.
In Kermanshah warten die Halleiner schon auf uns neben der Felswand von Bisotun. Diese hat der große Darius für Propagandazwecke bearbeiten lassen. In einem Felsrelief wird berichtet, wie er die „Lügenkönige“ die ihn um seinen Thron bringen wollten, besiegte. Die Königsstraße von Mesopotamien ins persische Hochland führte hier vorbei und jeder konnte diese „Wandzeitung“ lesen und zwar in Elamisch, Neubabylonisch und Altpersisch. Mit Hilfe dieser Schriften konnte die Keilschrift entziffert werden.
Vor der Weiterfahrt lassen wir den 100er- Nagel aus dem Reifen operieren, der schon eine zeitlang nervt und Schuld am schleichenden Luftverlust ist.
In Hamadan trennen wir uns von Maria und Wolfgang. Sie fahren schon früher wie geplant über Orumiyeh zurück in die Türkei und heimwärts. Am letzten gemeinsamen Abend köpfen wir die letzte Weinflasche und jeder gibt seine wichtigsten Eindrücke an: Wolfgang ist begeistert von so viel Kultur und den tollen Landschaften. Die Freundlichkeit der Menschen ist umwerfend. Er findet den Iran besser entwickelt als er dachte. Maria findet, der Iran ist auf gutem Weg, den Menschen geht es besser, Veränderungen sind spürbar. Anneliese kritisiert, dass der Reichtum des Landes unten nicht ankommt. Auch die Unfreiheit und Bevormundung der Menschen, besonders von Frauen und Jugendlichen ist groß. Trotzdem findet man überall fröhliche, freundliche Leute. Ich selbst denke, dass die Unfreiheit nicht als solche empfunden wird. Einschränkende Gesetze werden umgangen und die Mehrheit hat freie Bürgerrechte nie kennenlernen dürfen. Und die Hoffnung, dass es besser wird stirbt zuletzt.
Wir werden die nächsten 10 Tage im Nordiran um das Kaspische Meer verbringen und dann nach Armenien ausreisen.
Nun sind wir schon 1 1/2 Monate im Iran unterwegs. Jeder Tag ist angefüllt mit Eindrücken und Abenteuern.
Da das Land so groß ist und auch gebirgig gibt es klimatisch große Unterschiede. Der Norden ist im Mai noch grün, die Nächte kühl, die Getreideernte steht noch bevor.Der Süden brütet schon seit April bei hohen Temperaturen um die 40 – 45°.
Organisieren von benötigten Dingen nimmt oft viel Zeit und Geduld in Anspruch. Für den Einkauf von Gemüse, Obst, Brot und Lebensmittel besucht man mehrere Geschäfte. Nie hat jemand alles. Natürlich gibt es weder Bier noch Wein. Restaurants zu finden ist extrem schwer, Cafe`s oder Teehäuser gibt es praktisch gar nicht. Die Regierung glaubt es seien konspirative Orte und Ahmadinechad ließ die meisten schließen. Einen Ort mit W-lan zu finden ist so nervig, dass wir schon längst aufgegeben haben. Auch ist das Netz zum Gotterbarmen langsam. Viele Leute fragen uns ob wir Facebook benutzen. „Ist ja bei euch wie WordPress gesperrt“ sagen wir. Doch das ist kein Problem für Iraner. Jeder kennt jemanden der den Filter umgehen kann. Ist streng verboten, aber jeder macht es. Das gleiche gilt für den Alkohol. Man geht ins Gefängnis oder wird geschlagen, doch alle haben welchen im Haus. Wenn wir „alle“ schreiben so gilt das für eine gebildete Schicht in den Städten. Nur mit solchen können wir uns auf englisch austauschen. Dabei ist uns klar, dass es eine Mehrheit gibt, die den Iran so wie er ist akzeptieren. Kein Wunder bei den einseitigen Informationen. Die Deutsche Welle in Farsi oder BBC werden gestört, ausländisches TV ebenso.
Eine Polizeikontrolle vor Qatsvin durch 2 junge Beamte: bitte Passport, Zulassung, Führerschein. Ich darf unsere Auto mit dem „B“-Schein gar nicht fahren, erklären sie. Das mag für Iraner gelten, doch ich bin Österreicher und darf das, kontere ich. Darauf wollen sie ins Auto. Ok, sagen wir, doch Schuhe ausziehen. Er glaubt wir scherzen. Daraufhin durchsucht er in Socken jedes Kästchen. Er schnuppert am Essig, öffnet die Wasserflasche und riecht, (könnte ja Wodka sein) findet eine Dose Bier, leider O%iges . Zum Schluss findet er einen Flachmann mit Whiskey. „Christ?“ Weil wir in diesem Fall sofort welche werden, dürfen wir ihn behalten, Zum Schluss sagen sie sorry und ziehen ab. Wofür, ausser ihre Neugierde zu befriedigen, war das jetzt gut?
Über Qatsvin geht’s zum Evan See und zur Assasinenfestung von Alamut. Am See sind wir Teil eines riesigen Picknicks unter hunderten Ausflüglern, die alle 3 hintereinander liegende Feiertage genießen. Wir werden zum Essen eingeladen, bekommen Geschenke und müssen als europäische Exoten viele Fragen beantworten.
Es ist Zeit unsere Schmutzwäsche zu waschen. Weil ich fleissig mithelfe, kichern alle. Ich habe „Frauenangst“. Darunter leiden Männer, die im Haushalt helfen, erklärt man uns lachend.
Am Abend brennen viele Feuer, es wird getanzt und gesungen. Auch am Morgen brennen überall Feuer um sich und das Frühstück zu wärmen.
Die letzte Woche im Iran nutzen wir um zum Kaspischen Meer zu fahren. Das Klima ist angenehm und feuchter. Tee und Reis wird hier angebaut. Es ist der größte See der Welt und sein Salzgehalt ist halb so hoch wie jener der Meere.
Weiter nordwestlich liegt Ardabil, eine ruhige Provinzhauptstadt. Die Begräbnisstätte des Safaviden – Stammvaters Sheikh Safi ist Weltkulturerbe.
Vorbei am dritthöchsten Berg Irans, dem Savalan – Vulkan, 4811 Meter hoch, fahren wir durch eine wilde Gebirgslandschaft nach Jolfa und zum Stephanous-Kloster. Es liegt am Aras, dem Grenzfluss zur Aserbaidschanischen Enklave Nakhichevan . Da wir am Freitag, dem iranischen Wochenende dort sind, mischen wir uns unter viele Familien, alle auf Teppichen, daneben der Grill mit den Kebabs und natürlich der Samowar für den Tee. Es bleibt nicht aus, dass wir von überall zum Essen und Trinken eingeladen werden. Für den ganzen Iran ist ein Wochenende ohne Picknick undenkbar und weil für das leibliche Wohl in großen Umfang gesorgt wird, könnte sich jeder Reisende ohne einen Cent auszugeben satt essen und aufgrund der vielen Einladungen nach Hause auch meist dort wohnen. Die Gastfreundschaft ist ein hohes Gut im Iran.
Warum wir auf einem Picknickplatz übernachten hat natürlich einen Grund:
gerne suchen wir einen Schlafplatz, der ruhig und ungestört in freier Landschaft liegt. Nicht selten haben wir ein ganzes Seitental für uns alleine. Anneliese kann dann ihr Kopftuch und das lange Kleid ablegen. Außer dem Hirten mit seiner Schafherde oder einem Bauern auf dem Moped stört uns niemand mehr. Im Grenzgebiet zu Aserbaidschan ist es anders, wie wir bald merken. Vor Jolfa finden wir unseren Platz in einem unbesiedelten Flusstal. Der Bauer bedeutet mir, dass man hier nicht bleiben darf. Man werde uns verhaften. Wir bleiben trotzdem. In der Dämmerung kommt ein Pickup, bleibt etwa 30 Meter entfernt stehen. Militär oder Polizei? Sie stellen sich nicht vor, schreien herüber: come und Passport. Ich gehe die Hälfte der Strecke und sage meinerseits“come!“ Die haben genauso weit und jedem zeige ich nicht die Papiere! Weil sie Angst vor Leon haben, steigen sie nicht aus sondern hauen wieder ab. Ca 1 Std. später, es ist stockdunkel, kommt der Pickup wieder zurück. Diesmal springen 4 Mann mit MP’s heraus. Einer kann englisch. Jetzt ist Schluss mit Lustig! Passport aber flott; und zusammenpacken und mitkommen zur Kaserne. Dort angekommen warten wir, vom Soldaten bewacht, dass die Papiere geprüft werden. Der Dolmetscher ist sehr höflich, entschuldigt sich für die Umstände und stellt seine Fragen. Ich warte bis man uns streng sagt, dass unsere Visa abgelaufen sind. War noch bei jeder Kontrolle so. Genussvoll blättere ich im Pass um und zeige die Verlängerung, die wir in Shiraz machten. Nun ist alles gut. Bleibt noch das Problem: wo schlafen? Im Ort auf der Hauptstraße neben dem Park mit Spielplatz, werden wir hingeführt. Seufzend ergeben wir uns in unsere Schicksal und schlafen unter einer Straßenlaterne mit Kindergeschrei bis 1 Uhr nachts. Die nächste Nacht verbringen wir deshalb freiwillig auf den oben beschriebenen Picknickplatz. Das Grenzgebiet ist zu gut bewacht.
Am Samstag 23.5. geht die Strecke entlang der Grenze zum Übergang Nurduz nach Armenien und wir beenden einen wunderschönen, aber auch anstrengenden Aufenthalt im Iran. Mit Glück haben wir den Verkehr ohne Schrammen überstanden, unser Ford hat auch kein Problem gemacht ( hätte er auch nicht dürfen – er war der einzige im ganzen Iran)!
Unser Reiseaufenthalt im Iran dauerte v. 5.4. – 23.5.2015
Grund für unser Nichtmelden: unsere Webseite war im Iran gesperrt! Und hier in Armenien ist es eine wahre Freude, mit dem schnellen Internet zu arbeiten!
Ganz ganz liebe Grüße an daheim!
Anneliese und Günther samt Leon